Durch einen Gedankenaustausch angeregt, möchte ich hier einmal zu einem viel diskutierten Thema meine Überlegungen schildern: Muss man sich Ethik und Moral leisten können? Braucht man eine irgendwie geartete Grundlage, um diese 2 Aspekte in sein Leben zu integrieren und es als Basis seines Handelns zu manifestieren?
Vorab: Ich glaube das in keinem Fall! Im Gegenteil: Ich bin der Meinung, dass GERADE in Situationen, in denen Ethik und Moral gefragt ist und man es sich normalerweise nicht leisten könnte, eben genau diese Werte gefragt sind! Sie bilden eine Grundlage des Handelns und unter diesem Aspekt werden dann ähnliche Entscheidungen auch in der Zukunft getroffen. Damit meine ich: Bin ich schon im kleinen korrupt, bin ich es im Großen erst recht!
Ich möchte hier sicher nicht als Moralapostel auftauchen/ gelten und glaube auch, dass dies mit einer generellen Lebenseinstellung und seinem Glauben zu tun hat. Glaube ich z.B. daran,
– dass das Leben ein Kampf ist, in dem es nur darum geht sich selbst in die beste Position zu bringen und – koste es was es wolle – für sich die besten Pfründe zu sichern;
– weder an eine höhere Instanz, noch an eine Art „Karma“ und bin der Meinung, dass Menschen die so denken „Verlierer“ oder „Spinner“ sind;
– dass es lediglich darum geht ein „mehr an… (Geld, Besitz, Macht etc.)“ zu sammeln;
– dass Geld zu haben der letztendliche Erfolg ist,
– dass der Sinn des Lebens darin besteht dass es eigentlich gar keinen Sinn gibt, sondern es ein (sinnloses) Glücksspiel ist …
dann ist natürlich die Neigung dazu, diese Werte außen vor zu lassen, wesentlich leichter, als wenn man glaubt:
– dass jede Situation einen Sinn hat,
– dass wir erst einmal die „Prüfung bestehen“ müssen um an die Früchte der Arbeit zu kommen,
– dass unsere Taten Auswirkungen auf Andere haben und wir sinnbildlich in ein Netz von menschlichem Miteinander eingewoben sind, welches sich gegenseitig beeinflusst,
– dass „Glück“ zwar passieren kann, aber auch „Pech“ eine Art „Glück“ sein kann,
– dass auch unsere körperliche Gesundheit zum Teil an unserer psychischen Verfassung, unserer Ernährung und unserer „Pflege“ liegt,
– dass Geld ein Resultat und nicht das Ziel ist,
– dass es auch „ein Konto im Himmel“ gibt, auf das ich entweder einzahlen kann – oder eben ständig meinen „Überziehungskredit“ erhöhe und weiß, dass irgendwann die Rechnung kommt …
dann, ja dann haben Moral und Ethik auch einen Sinn!
Natürlich war ich selbst schon in Situationen, in denen ich es beweisen musste, was für mich wirklich zählt! Von 6- stelligen Monatsverdiensten, mehreren Autos (und das waren keine kleinen 🙂 ), einigen Wohnungen, einem eigenen Flugzeug etc. „zurückgefallen“ auf ein 27 qm Apartment, in dem ich allein mit meinen 2 Söhnen wohnte. DANN, GERADE DANN stellt sich die Frage nach Ethik und Moral – obwohl ich es mir eigentlich nicht „leisten konnte“! Die Angebote waren verlockend und hätten mich wesentlich schneller in eine wirtschaftlich viel bessere Ausgangsposition gebracht als ich es war. Aber nein – das wollte ich nicht, denn letztendlich habe ich mich gefragt: „Welchen Preis zahle ich dafür?“
Aber das ist nicht nur bei diesen 2 Aspekten so, sondern bei vielen anderen – z.B. der Freundschaft. Beweist sie sich nicht erst in Krisensituationen? Oder Vertrauen – weiß man nicht erst, nachdem man schwierige Zeiten miteinander verbracht hat, wer vertrauenswürdig ist und wer nicht? Hier ließen sich viele Beispiele anführen.
Selbstverständlich können diese Proben hart sein, weil man z.B. den Arbeitsplatz oder (falsche) Freunde verliert, finanzielle Einbußen hat, man sich ungerecht behandelt fühlt oder eben einfach nicht loslassen kann oder will. Aber will uns das Leben nicht gerade dann zeigen, dass wir uns selbst blockieren, wir „auf dem Holzweg“ sind – und öffnet sich nicht immer auch eine Tür, wenn sich eine andere schließt?
Deswegen ist es mir auch egal was jemand an materiellen Gütern sein Eigen nennen kann. Die zentrale Frage für mich ist: Wie hat er es erreicht? Welchen Weg hat er eingeschlagen, um diese Dinge zu besitzen? Hat er oder sie andere dabei gleichwertig und ehrlich behandelt, dabei etwas allgemein Nutzbringendes geschaffen oder ging sein „Reichtum“ eher auf Kosten Anderer? …in der Natur nennen wir solche Lebewesen Parasiten oder Schmarotzer!
Das hat meines Erachtens nach auch nichts mit Würde oder Stolz zu tun. Auch die muss man sich nicht „leisten können“, denn ich habe die zum Teil ärmsten Menschen der Welt in Nepal gesehen – mit einer Kindersterblichkeitsrate von 50 – 60 %, dem harten Kampf ums „tägliche Brot“, den Widrigkeiten und Launen der Natur ausgesetzt … – aber ich habe dort SEHR viele Menschen mit Würde und Stolz gesehen. Würde und Stolz sind meines Erachtens nach das Resultat eines „aufrechten Lebenswandels“, zu sich und seinen Werten zu stehen, sich selbst beweisen … alles andere ist Show!
Es geht auch nicht darum, sich für etwas „zu gut“ zu sein – das ist „falscher Stolz“ oder Überheblichkeit. Es geht darum, die Basis seines Handelns auszurichten. „Stinkt“ uns nicht im sprichwörtlichen Sinne das unmoralische Verhalten der Politiker, die zum Teil nur in diese Positionen kommen (wollen) um sich selbst zu bereichern?! Protestieren wir nicht, wenn wir sehen, wie Bänker Milliarden von Euros und Dollar verbrennen und trotzdem Millionen an Abfindung und Boni kassieren?!
Es ist nicht umsonst so, dass in den letzten Jahrzehnten die Rate der Burnouts, die Anzahl der depressiven Menschen, die Anzahl der „Aussteiger“ und zum Teil auch Selbstmörder, die Zahl der Studenten, die Ritalin als Aufputschmittel nutzen um mehr Leistung zu bringen usw. zum Teil sprunghaft angestiegen ist.
Das ist für mich keine Welt in der es sich zu leben lohnt! Aber was kann ich bzw. man tun? Wir können beweisen, dass man „anders“ glücklicher sein kann! Wir können ein Gegengewicht bilden! Wir können lachen, in den Spiegel schauen und sagen „Ich habe besten Wissens und Gewissens gehandelt!“ … und dieses Gefühl ist nicht mit Geld zu bezahlen, egal ob ich ein trockenes Stück Brot esse oder teuren Champagner trinke!
Würden wir Ethik und Moral mehr in unser tägliches Handeln integrieren, dann glaube ich, wären viele dieser Probleme nicht im mindesten so groß. Wir haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben – egal in welcher Richtung, egal mit welchen Werten. Wenn wir aber schon wählen können- dann sollten wir uns hinterher aber bitte nicht über die Konsequenzen beschweren …
Aber am Ende des Tages ist es wohl so, dass sich die Frage stellt: Was ist mir wichtiger – ein „reines Gewissen“ oder ein „voller Geldbeutel“? Ich habe mich entschieden …
Ihr/ Euer
Dirk (Jakob)
Hi Dirk,
interessante Frage, aber warum MUSS sie sich stellen?
Wenn ich für mich beschlossen habe das sich das reine Gewissen und der volle Geldbeutel gegenseitig ausschließen, dann hast Du natürlich Recht und sie stellt sich.
Aber es gibt so viele Menschen die zeigen, das sich beides miteinander verbinden lässt – Du kennst doch selbst auch einige!
Ich denke die Frage die sich stellt ist eine andere: Will ich WIRKLICH, das Ethik und Moral die Basis meines (täglichen) Handelns sind? Und bin ich bereit, dann auch in Kauf zu nehmen das der volle Geldbeutel möglicherweise etwas länger auf sich warten lässt?
Das ist alles…
Wobei das mit dem „etwas länger“ ja nicht zwangsläufig so sein muss!
Meiner Meinung nach ist es auf dieser Basis allerdings tatsächlich etwas schwieriger – dafür aber umso nachhaltiger. Also wiederum auch aus rein kaufmännischer Sicht durchaus erstrebenswert, oder..? ;-))
LG
Oliver
Hi Oliver,
die „eigentliche“ Frage, um die es ging, war ja, ob Moral und Ethik Luxusgüter sind… .
Wo ich Dir absolut zustimme, ist, das sich keine Frage stellt, ob sich Etik/ Moral und ein voller Geldbeutel ausschließen… . Das tun sie in keinem Fall!
Es gibt aber Situationen, da muss man sich entscheiden was wichtiger ist – und da hadern eben viele Mesnchen. Ich hatte eine Diskussion, weil jemand eben meinte „mir geht es so schlecht, ich kann es mir nicht leisten moralisch zu sein …“ so kam ich auf den Blog.
Aber es scheint wie immer: Wir verstehen uns 🙂
Dirk
ich arbeite in einer Brache, von der man im allgemeinen immer nur sagt „ah die Sklaventreiber“ aber ich frage mich täglich wer ist denn jetzt der Sklaventreiber die Unternehmen die die Preise für „Menschen“ drücken und verhandeln wie auf dem türkischen Bazar oder bin tatsächlich ich es, die Menschen eine Arbeit gibt, die wo anders vielleicht keie Chance mehr bekommen würden. Ich werde hier keine Zahlen nennen wir haben einen Traifvertrag, den jeder einsehen kann. Unsere Branche hatte definitiv die Chance sich eine weißere Weste anzuziehen. Aber leider haben wir es gemeinsam wieder nicht geschafft, weil einige von uns es immer noch für richtig halten auf diesen türkischen Bazar zu gehen um sich Markanteile entgegen jeder Ethik und Moral zu sichern. Ich mache meinen Beruf wirklich gerne und am schönsten sind die Tage an denen mich ein Kunde anruft und sagt er möchte den beim ihm „ausgeliehenen“ Mitarbeiter (ich mag diese Bezeichnung nicht) gerne übernehmen.Diese Tage waren dieses Jahr sogar häufig. Daher gilt mein Dank all den Unternehmen die Leasingmitarbeiter, wenn sie ihre Arbeit wirklich gut und pünktlich erledigen, in ein Arbeitsverhältnis übernehmen. Fazit von mir ist Ethik und Moral ein Luxusgut in unserer heutigen Zeit, ja. Aber ich bin auch der Meinung dass jeder jeden Tag selber entscheidet wieviel Ethik und Moral er haben möchte. Ich jedenfalls möchte morgens ohne schlechtes Gewissen in mein Spiegelbild schauen. Wenn der Preis dafür ist, dass ich Ethik und Moral im Berufs- und Privatleben dafür haben muss, dann zahl ich diesen gerne. lg Petra
Moral und Ethik fängt immer im Kleinen an. Ich bin mit folgendem Satz aufgewachsen:
Was Du nicht willst das man Dir tu, das füge auch keinem Anderen zu.
Einfach und doch wird es oft genug mit Füssen getreten.
LG Jacqueline
Du hast diese Frage schon selbst beantwortet Dirk. Ethik und Moral sind Werte, keine Luxusgüter. Ob man es sich leisten kann, nach diesen Werten zu leben, hängt davon ab, ob man eine gefestigte Persönlichkeit ist und nicht jedes Angebot annehmen muss, egal wie schlecht es einem geht.
Wer Ethik und Moral mit Füßen tritt, bezahlt mit dem Blick in sein Spiegelbild. Entweder kann man den Anblick ertragen oder nicht. 😉
Lernen unsere Kinder in der Schule etwas über Ethik und Moral? Haben sie schon mal was von den „ritterlichenTugenden“ gehört? Wissen sie etwas über „Achtsamkeit“? Lehren wir sie die Pfeiler der christlichen Nächstenliebe? Zeigen wir Ihnen, wie unsere Erde atmet und dass sie nicht Herrscher sondern ein kleiner Teil des Ganzen sind? Und: Leben wir ihnen vor, was diesen Grundsätzen entspricht? Die Verantwortung liegt nicht nur bei dem eigenen Spiegelbild. Wenn wir eine „Wert“-vollere Welt erschaffen wollen, müssen wir unsere Kinder dorthin führen, mit gutem Beispiel. Eine Welt in der Moral und Ethik Luxusgüter sind, ist eine absolute Horrorvision.
Dazu Richard David Precht: Die Kunst, kein Egoist zu sein.
Dick, aber sehr zu empfehlen. Außerdem sind die einzelnen Kapitel relativ kurz.